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12 000 Kilometer. 100 000 Höhenmeter. Unzählige Geschichten. Über die Alpen, entlang von Küstenstrassen, durch Wüsten, Urwälder und Savannen bis ans Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Tagsüber auf zwei Rädern, nachts meist im Zweierzelt und ein Teilstück zu zweit unterwegs: Sofia begleitet Elias drei Monate lang von Uganda bis Tansania, während Elias die gesamte Strecke unter die Räder nimmt. Mit ihrer abgefahrenen Reise sammeln sie Spenden für Velafrica: Pro gefahrenen Kilometer einen Schweizer Franken.
Songbird Safari Camp in Uganda, 28. Januar 2025
«Elias! Etwas liegt auf mir! Ich kann kaum atmen…» Sofias panische Stimme reisst mich aus dem Schlaf. Innert Sekundenbruchteilen werde ich aus meinen Träumen in die gefährliche Realität katapultiert, bin hellwach. Ein massives Gewicht drückt von aussen gegen unser Zelt, direkt auf Sofias Brust. Todesangst. Ich stemme mich dagegen, schreie so laut ich kann. Das Tier ist schwer, kräftig. Ein Löwe? Sekunden fühlen sich wie Minuten an. Die Minuten wie eine Ewigkeit. Irgendwann lässt der Druck nach. Stille.
Wir waren eigentlich gewarnt: Der Campingplatz gleich neben dem Queen-Elizabeth-Nationalpark in Uganda ist ein Treffpunkt für Wildtiere. Tagsüber sehen wir Wasserbüffel, Antilopen, Wildschweine und Elefanten. «Schaut nachts immer erst mit der Stirnlampe nach reflektierenden Augen, bevor ihr das Zelt verlässt», hatte der Besitzer gesagt. Unser Zelt steht zwischen Bäumen, die Velos als Schutz vor dem Zelt. Beim Einschlafen hören wir Antilopen grasen, friedlich. Bis die «Lawine» über Sofias Körper rollt.
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Erst als wir uns aus der Schockstarre lösen, sehen wir das ganze Ausmass: Mein Velo liegt mit einer Delle auf dem Aussenzelt, welches wie auch das Innenzelt vier grosse Löcher davonträgt, eine Zeltstange ist gebrochen. Die Campingangestellten eilen herbei. In Unterwäsche stehen wir in der dunklen Nacht und dürfen in eine Lodge umziehen. Am nächsten Morgen wird klar: Es war ein Wasserbock, der in der Nacht auf unser Zelt gestürzt ist, gejagt von Löwen. Vor unserer Reise hatten wir an viele Risiken gedacht – ein Wasserbock war nicht auf der Liste.
Wir brauchen einen Tag, um den Schock so weit zu verdauen, dass wir weiterfahren können. Dann steigen wir wieder aufs Rad. Es geht als nächstes durch den Queen Elizabeth Park – tagsüber, versteht sich. Einer der wenigen afrikanischen Nationalparks, durch den man auf dem Velo überhaupt fahren darf.
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Von Bern nach Uganda: Berge, Küsten, Brücken, Wüsten
Für Sofia ist das Rencontre mit dem Wasserbock ein steiler Einstieg. Erst zwei Wochen zuvor ist sie in Kampala zu mir gestossen. Ich selbst bin zu diesem Zeitpunkt schon viereinhalb Monate unterwegs: Von unserem Zuhause in Bern über die Alpen, durch die Dolomiten, entlang Kroatiens Küsten, über Mostars Brücke, durch den montenegrinischen Durmitor-Nationalpark und die albanischen Berge. In Griechenland fahren meine Mutter und mein Bruder einige Tage mit dem Mietauto mit mir mit, später geht es durch Saudi-Arabien und den Oman – zwischen Wüsten, Wadis, Moscheen, Nomadenzelten und weiss getünchten Häusern, wo ich eine riesige Gastfreundschaft erlebe. Aufgrund des Krieges im Sudan, Unruhen in Teilen Äthiopiens und gefährlichen Gebieten in Kenia startet das Abenteuer auf dem afrikanischen Kontinent auch für mich in Uganda.
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Uganda und Namibia: Zwei Welten auf einem Kontinent
Uganda – lebendig, seenreich und dicht besiedelt
Schon beim Landeanflug fällt Sofia und mir auf, wie grün dieses Land ist. Ackerbaufelder und Teeplantagen wechseln sich mit dichtem Urwald ab. Auf Trekkings begegnen wir Schimpansen und Gorillas und lassen uns von der Geräuschkulisse von Mensch und Tier tragen. Die Hauptenergiequelle sind die überaus süssen Früchte sowie «Rolex» – abgeleitet von «rolled eggs» – ein Gemüse-Omelett, das in Chapati-Brot eingerollt wird.
Das Leben spielt sich hier fast ausschliesslich auf der Strasse ab: Menschen formen Lehmziegel, treiben Viehherden, tragen schwere Wasserkanister auf dem Kopf, während Kinder mit alten Pneus und Stöcken Rennen spielen. «Mzungu!» hören wir von überall, was übersetzt «Fremde» oder «Weisse» bedeutet. Ohne es zu wollen, stehen wir dauernd im Mittelpunkt. Kinder rennen uns minutenlang aufgeregt hinterher und helfen uns immer mal wieder, unsere Velos unter der prallen Sonne einen der unzähligen Hügel hochzuschieben. Die Erwachsenen verstehen oft nicht, warum man mit dem Velo so weit fahren sollte.
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Die Bevölkerungsdichte ist hoch und viele Familien so arm, dass die Schulgebühren nicht für alle Kinder gezahlt werden können. Viele Kinder arbeiten, statt zur Schule zu gehen. «Give me money», diese Worte begleiten uns wie ein Echo in Dauerschlaufe, vor allem von den unzähligen Kindern. Manchmal mit einem Lachen. Manchmal mit todernster Miene. Einige scheinen gar nicht zu wissen, was es bedeutet, und ahmen den Satz einfach nach, weil sie glauben, es sei eine Begrüssung. Wir hören auch Variationen wie «give me my money», «give me bag» oder «give me bicycle». Taschen oder Velo können wir nicht verschenken, doch auch Geld geben wir nach einer solchen Aufforderung nicht. Wir verschenken – wenn möglich – Essen, Wasser und einzelne Kleidungsstücke. Vielfach aber antworten wir mit einer Begrüssung und einem Lächeln, manchmal entgegnen wir «give me five». Doch: Tagtäglich so viel Armut zu sehen tut weh. Der Umgang damit fällt uns schwer, wir fühlen uns völlig machtlos und es macht uns nachdenklich. Wieso ist die Welt so ungerecht? Wieso bietet sie so ungleiche Chancen? Es tröstet uns ein wenig zu wissen, dass wir mit unserer Unterstützung von Velafrica ((siehe Infobox ganz unten) zumindest im Kleinen etwas bewirken: Velos erleichtern Kindern mit langen Schulwegen den Zugang zu Bildung.
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Nach Uganda begleitet mich Sofia auch in Ruanda und Tansania. Im imposanten Ngorongoro-Krater sowie der Steppenlandschaft der bekannten Serengeti beobachten wir die «Big Five» sowie viele andere Tiere. Auf dem «Dach Afrikas» auf 5895 Metern über Meer, dem Kilimandscharo, stehen wir im Eis und bestaunen den Sonnenaufgang. Das gemeinsame Abenteuer endet an den weissen Stränden Sansibars mit seinem türkisblauen Wasser.
Allein fahre ich weiter: Durch Malawi, wo ich auf einer Fähre aus dem Jahr 1951 einige Tage über den Malawisee tuckere, durch Sambia mit seinem famosen und sehr tierreichen South Luangwa Nationalpark und den donnernden Victoriafällen, wie auch durch das dünnbesiedelte Botswana, wo Elefanten, Zebras und Antilopen die Teerstrasse kreuzen und langgezogene Strecken eine mentale Herausforderung darstellen.
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Namibia – weit, trocken und still
In Europa sprechen wir oft von «Afrika», als wäre es ein einziges Land. Doch die Unterschiede zwischen den Ländern, und manchmal selbst zwischen Regionen, sind enorm. Der Kontinent ist geprägt von einer Vielfalt an Kulturen, Sprachen, Religionen, Landschaften und Tieren. Wer hier reist, merkt schnell: Verallgemeinerungen funktionieren nicht.
Der Kontrast zwischen Uganda und Namibia könnte beispielsweise kaum grösser sein. Nach dem satten Grün Ugandas wirken Namibias Landschaften wie aus einer anderen Welt: Endlose Weiten in Braun- und Rottönen. Hier bin ich nicht nur ohne Sofia, sondern oft stundenlang ganz allein unterwegs. Riesige Flächen befinden sich im Besitz privater Farmer, weisse Grossgrundbesitzer sind noch immer ein sichtbares Erbe der Kolonialzeit.
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Für einen Radreisenden ist Namibia gnadenlos: Meist findet man kaum Schattenspender. Vorbeifahrende Autos hüllen einen in Staubwolken. Die Nächte sind in dieser Jahreszeit frostig. Der Wind bläst einem tagsüber ins Gesicht. Wellblechpisten fordern mentale und körperliche Stärke. Vorräte und Wasser müssen gut geplant werden; oftmals hat man hunderte Kilometer keine Möglichkeit, für Nachschub zu sorgen. So bin ich auch auf die Hilfe der Menschen in den wenigen vorbeifahrenden Autos angewiesen. Frisches Wasser oder auch Essen sind wertvolle Geschenke. Während die namibische Wüste alles von mir abverlangt, haben Tiere wie Oryx, Kudus, Strausse, Hyänen oder Wildpferde Überlebensstrategien entwickelt, um in diesen herausfordernden Bedingungen zu bestehen.
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Manchmal fühle ich mich wie auf einem anderen Planeten. Doch gerade hier, in diesen Mondlandschaften, in dieser Weite und Stille, in diesen atemberaubend klaren Sternennächten, wird mir bewusst, warum ich mich für diese Art des Reisens entschieden habe. Das Velo zwingt zum bewussten Tempo, macht jede Windböe, jeden Temperaturwechsel, jede Begegnung spürbar. Namibia zeigt mir, dass Einsamkeit nicht leer sein muss. Sie kann Raum geben für Gedanken, für Demut und für einen neuen Blick auf das Wesentliche.
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Das Ziel ist nicht das Ende
Am 19. Juli 2025 überquere ich die Grenze nach Südafrika und befinde mich somit auf dem Endspurt nach Kapstadt. Nun lasse ich mich auch vom kalten Gegenwind aus der Antarktis nicht mehr aufhalten. Auch wenn in erster Linie immer der Weg das Ziel war: Die Emotionen bei meiner Ankunft in der wundervollen Stadt am Kap der Guten Hoffnung sind überwältigend.
Ich habe gelernt, dass Fremdes nicht fremd bleibt, wenn man hinsieht. Dass das Alleinsein still und gross sein kann oder laut und voller Leben. Dass jeder Horizont nur ein neuer Anfang ist. Am Ende war es nicht nur eine Fahrt von Bern nach Kapstadt. Es war eine Reise zu den Menschen, zu den Landschaften und zu mir selbst.
Auch nach der Rückkehr ist die Reise für mich noch nicht zu Ende. Weiterhin sammeln wir Geld für Velafrica, unser Spendenziel ist noch nicht erreicht. In Vorträgen möchte ich auch anderen Menschen die Gelegenheit geben, ihre Vorurteile gegenüber Afrika zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entdecken. Ich werde meine abgefahrene Geschichte unter anderem in den Veloplus-Läden in Bern und Oerlikon erzählen (siehe Seite 46). Darüber hinaus plane ich, meine Erlebnisse und Begegnungen in einem Buch festzuhalten, um die Eindrücke dieser Reise weiterzugeben.
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Die Ausrüstung
Elias war auf seiner Reise mit Produkten von Veloplus unterwegs. Einige Artikel aus dem Veloplus-Sortiment haben sich besonders bewährt:
Unterstütze auch du Velafrica!
Veloplus unterstützt verschiedene Projekte weltweit, die einen Beitrag zur Veloförderung und Entwicklungshilfe leisten – unter anderem Velafrica. Velafrica sammelt seit 1993 ausgemusterte Velos und verschifft diese nach Gambia, Ghana, Tansania, Madagaskar, Burkina Faso und an die Elfenbeinküste. Vor Ort verbessern die Velos den Zugang zu Bildung, medizinischen Einrichtungen und eröffnen wirtschaftliche Chancen. Die gemeinnützige Organisation fördert nebst der Mobilität auch den Aufbau von Werkstätten und bildet Mechaniker:innen aus. Veloplus unterstützt Velafrica mit Geldspenden und ausgedienten Velos. Gerne leiten wir auch dein altes Velo an das Projekt weiter. Gib es einfach im nächsten Veloplus-Laden ab. Angenommen werden Velos und E-Bikes.
Geldspenden: Stiftung Sinnovativ / Velafrica / 3097 Liebefeld
IBAN: CH27 0900 0000 3000 7391 3
BIC: POFICHBEXXX
Zahlungszweck: abgefahren
www.velafrica.ch/abgefahren